Stammvater des falschen Genitiv-Apostrophs?
Thread poster: Heinrich Pesch
Heinrich Pesch
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Dec 30, 2016

Gestern erhielt ich die Gesamtausgabe von Martin Schmidts "Nick Knatterton". In den Texten wird laufend der Genitiv mit Apostroph gebildet: Nick's Schreibtisch, Nutt's Verbrecherbande usw.
Wer damals in den 1950er Jahren ständig diese Folgen in der Quick gelesen hat, kann leicht Schmidts Genitiv als die Norm verstanden und sich angeeignet haben. Ich las die Quick nur hin und wieder beim Friseur im Wartezimmer.


 
Thayenga
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Hmmm Dec 31, 2016

Das sieht mehr nach einer nicht angewandten Lokalisierung aus. Offenbar wurde einfach das englische Apostroph übernommen statt den deutschen Genitiv zu nehmen.

 
Heinrich Pesch
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Original deutsch Jan 1, 2017

Thayenga wrote:

Das sieht mehr nach einer nicht angewandten Lokalisierung aus. Offenbar wurde einfach das englische Apostroph übernommen statt den deutschen Genitiv zu nehmen.


Es ist keine Übersetzung, sondern von Manfred Schmidt geschrieben und konzipiert. Nich Knatterton war der Vorgänger von James Bond, nicht anders herum.


 
Erik Freitag
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Zumindest heute nicht falsch Jan 1, 2017

Eine sehr häßliche Schreibweise, aber zumindest nach den aktuellen Duden-Rechtschreibregeln keineswegs falsch. Man müsste mal prüfen, wann die entsprechende Regel eingeführt wurde (vermutlich im Zuge der Rechtschreibreform?). Oder galt sie womöglich schon zur Entstehungszeit des Comics? Oder ist der Autor tatsächlich mitverantwortlich?

[Edited at 2017-01-01 10:41 GMT]


 
Thayenga
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Oh. Jan 1, 2017

Heinrich Pesch wrote:

Thayenga wrote:

Das sieht mehr nach einer nicht angewandten Lokalisierung aus. Offenbar wurde einfach das englische Apostroph übernommen statt den deutschen Genitiv zu nehmen.


Es ist keine Übersetzung, sondern von Manfred Schmidt geschrieben und konzipiert. Nich Knatterton war der Vorgänger von James Bond, nicht anders herum.


Nun, das wusste ich nicht... da ich die Geschichten nie gelesen habe. Einen Versuch war's wert.

Ein gutes Neues Jahr!


 
Matthias Quaschning-Kirsch
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Eher Auslaufmodell Jan 1, 2017

Manfred Schmidt war ganz sicher kein Stammvater, sondern eher ein Auslaufmodell. Noch bei Thomas Mann war das durch Apostroph abgetrennte Genitiv-s bei Eigennamen (ebenso wie bei Ableitungen auf -sch) ziemlich normal, und bei Goethe & Co. sowieso. Es war wohl der Duden, der den Apostroph allmählich zurückdrängte, zumindest im Deutschen Reich.

Andernorts scheint der Apostroph schon früher verschwunden zu sein. Die Familie meiner Mutter stammt aus Lettland. In alten Briefen und vo
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Manfred Schmidt war ganz sicher kein Stammvater, sondern eher ein Auslaufmodell. Noch bei Thomas Mann war das durch Apostroph abgetrennte Genitiv-s bei Eigennamen (ebenso wie bei Ableitungen auf -sch) ziemlich normal, und bei Goethe & Co. sowieso. Es war wohl der Duden, der den Apostroph allmählich zurückdrängte, zumindest im Deutschen Reich.

Andernorts scheint der Apostroph schon früher verschwunden zu sein. Die Familie meiner Mutter stammt aus Lettland. In alten Briefen und vor allem in der Chronik meines Urgroßvaters (*1864) stehen in diesen Fällen schon keine Apostrophe mehr - da war man dem Duden von 1880 und der Rechtschreibreform von 1901 um einiges voraus. Aber meine deutschbaltische Familie war ja ohnehin durchaus bemüht, sich ein wenig von den Reichsdeutschen abzugrenzen, denen man u.a. einen geradezu manischen Putzfimmel vorwarf.

Wie auch immer - Manfred Schmidt s.A. (dessen Nick Knatterton ich viele frohe Stunden und gar manch nachhaltige politische Einsichten verdanke [u.a. daß die CD-Plakette an bestimmten Autos mutmaßlich für Crétin dangereux steht]) war kein innovativer Apostrophiker, sondern fühlte sich offensichtlich der verhallenden Tradition der Dichter und Denker verpflichtet - um die Sache mal mit etwas Pathos zu würzen. Angelsächsische Einflüsse zeigen sich also nicht in der Sprache, sondern nur in den Vorbildern für Nick's Figur: Superman und Sherlock Holmes.
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Rolf Keller
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Rechtschreibung kann jeder muttersprachliche Übersetzer beherrschen – wenn er wirklich will Jan 1, 2017

Erik Freitag wrote:

... zumindest nach den aktuellen Duden-Rechtschreibregeln keineswegs falsch.


Nicht falsch und in manchen Fällen auch nötig, z. B. bei "Ich kenne Andrea's Schneider".


Man müsste mal prüfen, wann die entsprechende Regel eingeführt wurde (vermutlich im Zuge der Rechtschreibreform?). Oder galt sie womöglich schon zur Entstehungszeit des Comics?


Es gab 3 RS-Reformen: 1876, 1901 und 1996, wobei man an der 1996er Reform nach 1996 noch mehr als ein Jahrzehnt lang im Zickzackkurs herumgebastelt hat, nachdem sie eigentlich schon fertig war.

Die heute geltende Regel ist ziemlich alt, schon im großen Brockhaus von 1901 steht:
"... oft auch z. B. Goethe's Werke, um über die Form des Eigennamen keinen Zweifel zu lassen"
Da niemand von uns so alt ist, müsste eigentlich niemand von uns jemals ein Umlernen nötig gehabt haben.


 
Heinrich Pesch
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Schlecht Ding hat viele Väter Jan 2, 2017

Mathias hat sicher recht mit seiner historischen Betrachtung. Ich hatte meine eigene Generation im Auge, die zwar in der Schule gelernt hatte, dass der Apostroph ein Auslassungszeichen ist, aber dann aus irgendwelchen Quellen die Vorstellung bekamen, der Apostroph gehöre zum Genitiv. Und ich kann mir gut vorstellen, dass zwischen 1950 und 1960 ein regelmäßiger Leser der "Quick" mit den Knatterton-Abenteuern davon überzeugt wurde, der Apostroph gehört zum Genitiv. Aber vielleicht war ich vor... See more
Mathias hat sicher recht mit seiner historischen Betrachtung. Ich hatte meine eigene Generation im Auge, die zwar in der Schule gelernt hatte, dass der Apostroph ein Auslassungszeichen ist, aber dann aus irgendwelchen Quellen die Vorstellung bekamen, der Apostroph gehöre zum Genitiv. Und ich kann mir gut vorstellen, dass zwischen 1950 und 1960 ein regelmäßiger Leser der "Quick" mit den Knatterton-Abenteuern davon überzeugt wurde, der Apostroph gehört zum Genitiv. Aber vielleicht war ich voreilig. Im ersten Abenteuer steht immer "Nick's", aber am Ende der Gesamtausgabe "Nicks". Manfred Schmidt ist also unschuldig.

Als ich das Heft bei Amazon bestellte, glaubte ich, es wäre so eine Art James-Bond-Parodie. In wirklichkeit aber könnte Ian Fleming bei Schmidt abgeschrieben haben. Im ersten Abenteuer von 1950 trägt Nick einen falschen Bart, als dann die Ganoven ihn aus dem Flugzeug werfen, ist im Bart ein Fallschirm versteckt!
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